Mit hanseatischer Zurückhaltung, informieren, sortieren und ordnen die beiden Digital-Experten mit ihrem Meinungsbeitrag die aktuellen Entwicklungen und Trends rund um die Digitalisierung und das Leben und Arbeiten von morgen. Ein Podcast mit Sven Kramer und Sebastian Karger - Jetzt reinhören!
TikTok gibt eine globale Kooperation mit Shopify bekannt. Social Commerce ist bei uns noch nicht ansatzweise so etabliert wie in China. Die Zusammenarbeit von TikTok und Shopify ermöglicht Verkäufern, komplette TikTok Kampagnen über das Shopify Dashboard anzulegen und zu steuern.
eBay Kleinanzeigen bietet eigene Bezahlfunktionen an. Die neue „Sicher bezahlen“-Funktion von eBay Kleinanzeigen sorgt dafür, dass Käufer den Kaufpreis zurückerhalten, falls sie einen Artikel nicht erhalten oder dieser wesentlich von der Beschreibung abweicht.
Corona & Weihnachten – Händler und Versanddienstleister bereiten sich auf das Weihnachtsgeschäft vor. Aufgrund der zweiten Corona-Welle wird mit einer überdurchschnittlichen Auslastung gerechnet. Welche Auswirkungen hat das für Händler, Versanddienstleister und Kunden?
Singles Day – der größte Online-Verkaufstag der Welt. Als eine Art Anti-Valentinstags Event ursprünglich von Alibaba ins Leben gerufen, erfreut sich dieses Shopping-Event am 11. November vor allem bei jungen Chinesen immer größerer Beliebtheit. Alibaba verzeichnet an diesem Tag jedes Jahr Rekordumsätze.
Transkription
Sven
Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Crunch! Es gibt wieder einige interessante Themen, die wir besprechen und einordnen wollen. Einleitend wollen wir kurz auf unsere Gruppen bei Facebook und LinkedIn verweisen. Wer Lust auf einen weiteren Austausch zu den Themen oder Vorschläge für eine weitere Folge hat, ist herzlich willkommen. Die Links zu den Gruppen werden wir wie immer mit der Folge veröffentlichen.
Shopify x TikTok
Sven
Starten wir mit dem ersten Thema von heute. TikTok gibt eine globale Partnerschaft mit Shopify bekannt. Sebastian, was hat es damit auf sich?
Sebastian
Vielleicht vorab ein paar Worte zu Shopify, ich glaube TikTok kennen mittlerweile die meisten. Shopify ist ein kanadisches Unternehmen, was eine E-Commerce Software zur Verfügung stellt. Der deutsche Gründer ist nach Kanada ausgewandert und von dort aus hat er die Software und das Unternehmen aufgebaut und mittlerweile hat er recht relevante Marktanteile im E-Commerce. Die Software wird immer weiter verbreitet und sie hat nun eine Kooperation mit TikTok ins Leben gerufen, sodass ich direkt aus Shopify heraus, also vom Dashboard aus, Commerce Ads bei TikTok schalten kann.
Sven
Ja, die soll es den mehr als eine Million Shopify-Händlern erleichtern, auf TikTok für ihre Waren zu werben. Ein In-App-Kauf in TikTok selber ist noch nicht möglich, da ist man aber wohl durchaus auch in Gesprächen oder in Vorbereitung, dass das kommen könnte. Aber natürlich ist es spannend für die Shopify-Händler auf TikTok einfach aktiv und sichtbar zu sein. TikTok hat allein in den USA 100 Millionen aktive Nutzer.
Sebastian
Genau. Das betrifft ja auch nicht nur TikTok, sondern auch andere Plattformen wie Instagram und so weiter. Ich kann meine Produkte entsprechend taggen und ich kann dann aus meinen Inhalten heraus direkt auf dieses Produkt darauf klicken. Wie bei Instagram auch komme ich dann zu einer anderen Seite, ich gehe also in einen Webshop rein, was natürlich für die Webshop-Betreiber und somit auch für Shopify interessant ist, weil ich diesen Umsatz nicht auf irgendeinem Marktplatz generiere, sondern den Kunden dadurch direkt auf meine Plattform hole, somit bleibt der Kunde nicht nur auf dem Marktplatz. Grundsätzlich wird das wohl so funktionieren wie auch bei Instagram, auch da kann ich in einem Beitrag oder in einer Story meine Produkte entsprechend taggen und ich habe dann auch Preisinformationen dazu und kann darauf klicken und komme dann zu dem jeweiligen Shop.
Sven
Dazu muss man sagen, dass Shopify gerade in diesem Bereich, gerade im Bereich der Kooperation und gerade in Verbindung mit sozialen Medien sehr viel stärker wird. Wir haben gerade im Oktober in einer anderen Folge von Crunch darüber gesprochen, dass YouTube eben auch die Integration von Shopify testet. Und seit Mai 2020 gibt es eine Integration zwischen Pinterest und Shopify, bei dieser Verknüpfung der Social-Media-Kanäle ist Shopify also ziemlich stark mit dabei. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sagen, dass die Potenziale bei TikTok wirklich unglaublich stark sind, wir hatten gerade kurz angesprochen, wie weit es verbreitet ist, gerade auch in den USA. Wenn wir uns erinnern hatte bzw. hat Walmart zusammen mit Oracle Interesse an TikTok. Ich glaube Ende September hat Donald Trump den Segen gegeben, dass Oracle und Walmart TikTok kaufen dürfen. Aber wenn Ende September noch dieser mögliche Zuschlag zwischen Walmart und TikTok ein Thema war und TikTok jetzt aber eine Kooperation mit Shopify eingeht, ist das gar nicht so ein weiter Weg. Walmart selber ist im Juni nämlich auch eine Kooperation mit Shopify eingegangen und man möchte ganz gerne auf der Plattform Walmart.com 1200 Shopify-Anbieter anbieten. Es ist also alles miteinander verbunden und alle haben eigentlich erkannt, dass hier ein riesiges Potenzial steckt.
Sebastian
Das haben wir in den letzten Crunchfolgen auch immer wieder betont, wir haben ja über das YouTube Einkaufszentrum gesprochen, das ist ja letztendlich etwas Ähnliches. Ich tagge eigentlich nur noch Produkte, sei es manuell oder auch automatisiert und ich kann aus den sozialen Medien heraus direkt meine Einkäufe platzieren. Wir erleben ja, dass Shopping beim Social Commerce oder beim Livestreaming-Shopping immer mehr an Social Character bekommt, das ist absolut relevant. Was ich bei der Kooperation zwischen Shopify und TikTok noch ganz interessant finde bzw. eigentlich eher bezogen auf TikTok: Ich starte eine Commerce-Ad. Ich starte also direkt eine Werbung und ich tagge das nicht nur, sondern ich muss es in Kombination mit einer Werbung machen und das ist wiederum ein Feature, was meines Wissens nach bei Instagram noch gar nicht vorhanden ist. Ich kann bei Instagram zwar in Beiträgen und Storys meine Produkte taggen, aber ich kann gar keine Werbung darauf schalten, was erst mal seltsam ist, weil Instagram das ja monetarisieren könnte. Man könnte denken, dass das für Instagram eine Relevanz hat, so ist es aber anscheinend nicht, ich kann bei Instagram aktuell also keine Werbung darauf schalten.
Sven
Das wird wahrscheinlich noch kommen, also wahrscheinlich ziehen sie nach. Ich muss sagen, ich finde gerade die Nutzung von TikTok in dem Sinne spannend, weil TikTok einfach so unglaublich stark im Algorithmus ist. Der große USP bei TikTok ist ja einfach dieser Algorithmus, der dahinter steckt. Und da kann ich natürlich als kleines Unternehmen, wenn ich einen Shopify-Shop benutze, sehr sehr leicht an eine neue, junge, interessante Zielgruppe rankommen und das gesteuert durch einen ganz starken Algorithmus.
Sebastian
Wobei, wenn man sich mal die Zahlen von Instagram anguckt, dann ist das vielleicht doch nicht so. Ich hatte gelesen, dass Instagram eine Milliarde aktive Konten weltweit hat und 90 Prozent dieser Konten folgen mindestens einem Unternehmen. Insgesamt gibt es monatlich nur 130 Millionen Shopping-Aktionen, also wo ich dann irgendwas mit Shopping machen kann, darauf klicke oder ähnliches, das wiederum finde ich dann doch relativ wenig. Wenn ich also davon ausgehe, dass es das nur im Unternehmensumfeld gibt, bin ich bei 900 Millionen aktiven Konten, die mindestens einem Unternehmen folgen, dann habe ich nur 130 Millionen Aktionen, weil jeder wahrscheinlich mehr als eine Aktion hat. Das heißt ja aber auch nicht, dass man unbedingt was kaufen muss. Jeder, der sich aktiv mit Instagram-Shopping beschäftigt oder diese Funktionalität für sich nutzt, macht das natürlich nicht bewusst, sondern unterbewusst. Das wird ja mehr sein als einer pro Monat. Das Verhältnis ist dann schon komisch und in Kombination damit, dass Instagram noch gar keine Ads darauf anbietet, stellt sich mir die Frage: Wie relevant ist dieses Geschäft für Instagram wirklich? Ich glaube, das hat superviel Potenzial, aber mich haben die Zahlen dann doch einfach ein bisschen überrascht, das ist dann einfach ein bisschen wenig.
Sven
TikTok lebt ja durch den Algorithmus und ich folge zwar auch Leuten, aber es geht ja gerade sehr stark um diese For You Page und darum, dass mir dort aktiv was angezeigt wird. Dann muss ich diesen Unternehmen ja gar nicht in dem Sinne folgen, sondern ich bekomme entsprechend meiner Interessen die Werbung ausgesteuert.
Sebastian
Genau, TikTok hat da schon einen anderen Ansatz. Mich hat es einfach überrascht, dass es bei Instagram augenscheinlich nicht so eine große Rolle spielt und dass es gerade bei den bei den vielen Influencern, die sich dann doch auf Instagram bewegen, nicht so stark genutzt wird. Also mir persönlich ist es auch noch nicht so häufig aufgefallen bei Instagram, es ist vielleicht auch eine Funktion, die einfach noch nicht so stark beworben wird oder noch nicht so stark im Algorithmus gepusht wird, das war einfach überraschend. Social Commerce ist halt einfach ein zentrales Element von TikTok, das haben sie sich aber auch auf die Fahne geschrieben, dass die das weiterhin treiben werden, das haben sie ja auch in der Vergangenheit getan. Man sieht auch bei ganz, ganz vielen anderen Plattformen, dass dieser Social Charakter immer stärker ausgeprägt ist.
Sven
Diese Kooperation sind für die Social Media Plattformen natürlich in dem Sinne auch unglaublich hilfreich, weil ganze Bezahlfunktionalitäten einfach verlagert werden können. Ich verweise da einfach von TikTok rüber zu Shopify und habe meinen gesamten Warenkorb und mein Checkout usw. und kann darüber auch bezahlen.
eBay-Kleinanzeigen mit Bezahlfunktion
Sven
Anderes Thema in Richtung bezahlen, und zwar hat eBay-Kleinanzeigen Ende Oktober bekannt gegeben, dass das Unternehmen eine eigene Bezahlfunktion mit anbieten möchte. eBay-Kleinanzeigen ist in Deutschland mit mehr als 31 Millionen Nutzern das reichweitenstärkste Portal in Deutschland, noch vor T-Online und Focus Online. Gerade da ist total spannend, welche Möglichkeiten ich habe, wenn ich selber die Bezahlfunktion mit anbiete, wo kann ich da als eBay-Kleinanzeigen noch Geld verdienen?
Sebastian
Ja, das ist so ein bisschen das Modell “Totgesagte leben länger”. eBay hat man ja eigentlich schon seit langer Zeit abgeschrieben. Es wird zumindest nicht so richtig wahrgenommen, die Umsatzzahlen schwinden auch, eBay schrumpft in der Summe und da gibt es viele Meinungen zu. Ich bin immer der Meinung, dass eBay’s große Problem das Profil ist. Sie kommen eigentlich aus einem Bereich heraus, wo sie nur für private Leute da waren. Private Leute haben was an andere Privatpersonen verkauft und dann sind sukzessive die Händler dazugekommen und die Händler haben ihre Produkte dort angeboten und man muss ja auch sagen, dass eBay da schon ein gewisses Image hat. eBay-Kleinanzeigen gehört ja auch noch zur eBay Classifieds Group, das ist die Renaissance des alten eBays. eBay-Kleinanzeigen ergänzt sich jetzt um ein Bezahlverfahren. Die meisten nutzen wahrscheinlich PayPal, wenn es nicht sogar an der Tür abgeholt und da bezahlt wird, aber auch dann wird ja schon die Bezahlung per PayPal genutzt und sie integrieren da jetzt auch noch einen Versanddienstleister. Wie das genau vonstatten gehen soll, weiß man wohl noch nicht, aber ich kriege eigentlich alles aus einer Hand bei eBay-Kleinanzeigen und ich habe das eBay, was man schon viele Jahre kennt.
Sven
Es macht ja auch durchaus Sinn, es ist ja der typische Brauch: man kauft irgendwas über eBay-Kleinanzeigen, man verkauft was und man muss sich gesondert außerhalb davon um die Bezahlung kümmern. Es geht sowieso meistens darum, dass ich eine persönliche Übergabe mache, das passiert aber ja häufig auch nicht, häufig versende ich auch etwas und dann hab ich oft das Problem: Wie mache ich das mit der Bezahlung? Wie mache ich es mit dem Versand? Das interessante bei diesem Bezahlverfahren ist, dass die klassische Überweisung, die Sofortüberweisung und die Bezahlung per Kreditkarte angeboten werden. PayPal wird dabei ausgenommen und nicht angeboten. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass die Zusammenarbeit zwischen PayPal und eBay in ein paar Jahren auslaufen wird. Diese Bezahlung wird treuhänderisch erfolgen, d.h. der Käufer überweist das Geld an einen Treuhänder und der hält das Geld solange zurück, bis die Ware angekommen ist.
Sebastian
Das sind aber auch alles Funktionen, die wir von eBay kennen. Mit eBay und PayPal habe ich den Käuferschutz und genau diese Funktion, die sie bei eBay- Kleinanzeigen nachbauen, das kennen wir eigentlich von eBay. Es ist ja auch der logische nächste Schritt, den man dort gerade geht. Es ist ein beeindruckendes Portal, es ist das stärkste Portal, was wir in Deutschland haben, es hat über 30 Millionen ständig verfügbare Anzeigen, es sind knapp 30 Millionen Nutzer in einem Monat auf der Seite aktiv.
Sven
Im vergangenen Jahr hat es einen Umsatz von etwas mehr als einer Milliarde US-Dollar erbracht.
Sebastian
Ja, und damit sind die schon fast beim Umsatz eines eBays in Deutschland, also das gesamten eBays in Deutschland und das finde ich von der Größenordnung her echt bemerkenswert. Man fragt sich ja auch immer wo eBay-Kleinanzeigen überhaupt Geld verdient? Wer bucht diese Top-Anzeigen und diese Zusatzleistung? Aber das ist tatsächlich der Umsatzbringer. Sie verdienen nur über diese Zusatzkomponenten Geld und über die Werbung, die es auch nicht wenig auf der Seite gibt. Das sind die beiden Komponenten, über die sie Geld verdienen und wenn sie damit dann eine Milliarde Umsatz generieren, ist das fast der Umsatz, den eBay in Deutschland in einem Jahr generiert, das ist schon enorm und sie werden auch durch die Zahlungen, die sie dort anbieten, nochmal Geld verdienen, das könnte ich mir zumindest vorstellen, auch wenn es natürlich eine valide Strategie wäre, es wie PayPal Friends einfach kostenlos anzubieten. Das ist wie gesagt wirklich recht bemerkenswert.
Sven
Dazu kommt auch noch das Potenzial mit mit den Umsatz-Milliarden, das haben eben auch andere gesehen. Ende Juli wurde bekannt gegeben, dass eBay das Kleinanzeigengeschäft für 9,2 Milliarden US-Dollar an ein norwegisches Unternehmen verkauft hat.
Sebastian
Wobei sie, glaube ich, nicht die komplette Classicfieds Group verkauft haben. Ich glaube, sie haben tatsächlich nur eBay-Kleinanzeigen und Mobile.de für 9,2 Milliarden Dollar verkauft, auch wenn mir die Umsatzzahlen von Mobile nicht geläufig sind, ist es schon ein hohes Umsatz-Multiple, was die dafür bekommen haben, aber natürlich absolut gerechtfertigt. Sie machen dem großen Bruder schon gehörig Konkurrenz, wobei ich jetzt nicht über den GMV spreche. Das ist ganz wichtig zu betonen, also nicht über den Außenumsatz, den eBay generiert, der ist natürlich um ein vielfaches höher, aber um den Umsatz, den eBay als Innenumsatz in einem Jahr generiert. Durch den Verkauf von eBay wurden auch weiterhin noch Anteile gesichert und von diesen 9,2 Milliarden fließen tatsächlich nur zwei, zweieinhalb Milliarden dann in Cash und der Rest ist ein Aktienpaket, das heißt, eBay wird wahrscheinlich auch weiterhin nicht unbedeutsamen Einfluss auf die Geschicke haben, die bei eBay-Kleinanzeigen und Mobile passieren. Ich denke, das ist auf jeden Fall der nächste logische Schritt für eBay-Kleinanzeigen, weil man natürlich auch damit wieder viele Probleme beim Kunden löst und gerade denjenigen, die kein PayPal-Konto besitzen, wird die Möglichkeit gegeben, bezahlen zu können. Ich glaube, sie nehmen dem Kunden so einfach noch mehr Probleme ab. Darüber hinaus bieten sie ja noch Versanddienstleistungen an und eBay-Kleinanzeigen ist ja auch nicht ganz wettbewerbslos. Es gibt ja noch andere Plattformen und gerade auch in Facebook-Gruppen und Co. werden dann ja auch Sachen verkauft und ich glaube, diese Professionalität, die da jetzt mit dieser Lösung an den Tag gelegt wird, wird sie ja nochmal deutlich vom Wettbewerb abheben und diesen ganzen Verkehr dann aus den Gruppen raus halten. Vielleicht bietet die Bezahlplattform ja auch Funktionen wie “letzter Preis” an , sodass ich gar nicht mehr verhandeln muss, sondern direkt den Preis bezahle.
Online-Handel zu Weihnachten
Sven
Kommen wir zum andern Thema: Weihnachten steht vor der Tür und alle Jahre wieder vermeldet die Paketbranche Rekordzahlen zum Weihnachtsgeschäft. Doch in diesem Jahr könnte der Zuwachs noch höher als zuvor ausfallen, Grund dafür ist die verstärkte Nutzung des Online-Handels in der Corona Pandemie. Da kommen sozusagen zwei Themen auf einmal zusammen, Corona und Weihnachten.
Sebastian
Ganz genau. Viele E-Commerce Händler haben schon im Frühjahr gesagt, sie hätten eigentlich gerade Weihnachten oder dass Weihnachten gerade ein bisschen länger anhält, damit meinten sie die komplette erste Corona-Welle. Wir hatten damals natürlich auch ein Oster-Geschäft, aber das ist natürlich bei weitem nicht so bedeutsam für E-Commerce wie das Weihnachtsgeschäft. Wir hatten Zahlen, die waren teilweise über dem Weihnachtsgeschäft, die Leute sind einfach nicht in den Einzelhandel gegangen und haben vielleicht auch im Einzelhandel kein Klopapier mehr bekommen und haben es dann online bestellt. Was dort bewegt wurde, das war teilweise, natürlich nicht bei jedem Händler, aber teilweise schon deutlich drüber über dem eigentlichen Weihnachtsniveau. Jetzt kommen zwei Faktoren zusammen, wir haben echtes Weihnachten und wir haben die zweite Corona-Welle, auch wenn ich den Eindruck habe, dass jetzt durchaus auch noch mehr Menschen im Handel sind, als es früher der Fall war. Klar, der Handel ist gerade nicht geschlossen, aber grundsätzlich ist, glaube ich, die Angst gerade gar nicht so hoch. Das heißt man geht schon in den stationären Handel, aber nichtsdestotrotz haben wir jetzt das echte Weihnachtsgeschäft und wir haben die zweite Corona-Welle, die das Paketvolumen einfach massiv in die Höhe treibt.
Sven
Der Bundesverband Paket und Express Logistik rechnet im Vergleich zu 2019 mit einer coronabedingten Verdopplung der Zuwächse von 15 bis 20 Prozent bei den Paketsendungen für private Haushalte. Es ist so, dass die Zustellung an den Endkunden dabei in der Weihnachtszeit im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 60 Millionen Sendungen auf knapp 420 Millionen B2C Pakete steigen könnte.
Sebastian
Alleine Hermes rechnet von jetzt bis Weihnachten noch mit 120 Millionen Paketen, das sind eineinhalb Pakete pro Bundesbürger. Das ist ein enormes Volumen, was da jetzt bewegt werden muss und man merkt das selber ja auch wenn der Amazon-Fahrer Samstag abends um neun noch klingelt. Wir haben jetzt Anfang, Mitte November, da sind jetzt schon ordentlich Umdrehungen drauf und das wird wahrscheinlich noch deutlich zunehmen. Natürlich werden jetzt auch alle recht frühzeitig bestellen, aber man merkt schon jetzt, dass das System ja augenscheinlich an die Grenzen gerät.
Sven
Rechnerisch sagt man, dass in dieser Weihnachtssaison etwa 30.000 zusätzliche Arbeitskräfte in den Unternehmen beschäftigt werden müssen, um das bewältigen zu können. Um das mal im Vergleich zu sehen: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden rechnerisch täglich über 800 000 Sendungen mehr als im Jahr 2019 transportiert. Die Nachfrage ist einfach unglaublich stark. Wir hatten darüber im Büro diskutiert, inwieweit diese Kurve anhalten wird, wie weit sie wieder einbricht und eben auch wie die Vorbereitung für viele Onlinehändler für das nächste Jahr aussehen sollte, also wie sie damit umgehen können, wenn sie jetzt viel liefern und viel vorhalten müssen. Man muss Infrastruktur schaffen. Wie entwickelt sich das aber für das nächste Jahr? Und wie lange geht es mit Corona noch weiter? Haben die Leute sich daran gewöhnt, viel online zu kaufen?
Sebastian
Ja, meine persönliche Einschätzung ist, dass es natürlich wieder Dämpfer kriegen wird. Mal angenommen, wir kriegen den Impfstoff und wir können uns alle wieder so bewegen, wie wir das wollen, dann wird das schon ein Dämpfer bekommen, wobei ich nur glaube, dass die Wachstumsgeschwindigkeit abnehmen wird. Ich glaube nicht, dass der E-Commerce dadurch schrumpfen wird. Das was er in den letzten Monaten aufgebaut hat, wird er vermutlich schon halten können, zumindest dann wenn ich es Saison bereinige, aber er wird wahrscheinlich nicht mehr ganz so schnell wachsen. Erfahrungsgemäß ist es im E-Commerce so, dass der zweite Advent eigentlich immer so der der Tag ist, wo dieses Thema dann tatsächlich an die Grenzen kommt, also er der stärkste Tag im Weihnachtsgeschäft sein wird. Wenn viele jetzt eine gewisse Vorahnung haben, dass das vielleicht knapp wird, bestellen sie vielleicht frühzeitig, aber bis dahin werden wir wirklich noch jeden Tag einen Anstieg haben und viele sind alarmiert, frühzeitig zu bestellen. Wir haben ja sogar auch noch einige große Verkaufsaktionen, z.B einen Singles Day, da kommen wir gleich noch hinzu, wir haben die Black Week, die ja auch gefühlt von Oktober bis Dezember läuft, mit dem Black Friday zusammen. Es kommen also noch verschiedene Verkaufsaktionen dazu, auch neue Produktvorstellungen, beispielsweise heute bei Apple bleiben nicht aus, das heißt ich habe noch viele Releases und viele Aktionen, die das ganze auch nochmal ankurbeln werden, das wird sehr spannend.
Sven
Wir hatten ja letztes mal über den HomePod Mini gesprochen, der ist jetzt bis Mitte Dezember schon ausverkauft. Die aktuelle Amazon Werbung geht schon sehr stark in die Richtung, dass man frühzeitig einkaufen soll. Amazon feiert jetzt schon den frühen Black Friday und versucht gerade dieses Volumen, was auf sie zukommen wird, vorzuziehen.
Sebastian
Amazon hat auch noch ein paar andere Probleme, die können ja in einem Logistikzentrum aktuell keine Nachtschicht mehr fahren aufgrund der Coronazahlen dort, weil eine komplette Nachtschicht in Quarantäne ist. Das heißt, da kommen noch andere Sachen hinzu. Wir haben ja nicht nur die Käufer, die sich momentan komplett anders verhalten, wir haben ja auch noch die Herausforderung, dass wir gerade hohe Infektionszahlen haben und das auch vor einem Logistikzentrum nicht halt macht. Das Risiko haben wir bei den Händlern, das Risiko haben wir aber auch bei bei den Carriern, wenn z.B. morgen das DHL Logistikzentrum ausfällt, weil eine komplette Schicht in Quarantäne gesetzt wird. Wenn in einem normalen Geschäft einen Tag nicht gearbeitet wird oder vielleicht sogar zwei Wochen, kann das vielleicht noch irgendwo kompensiert werden, aber wenn jetzt ein DHL Paketzentrum in Quarantäne gehen müsste, müssten sie die Pakete eigentlich “wegschmeißen”, die bekommen sie ja nie wieder zugestellt. Die Pakete, die später reinkommen, werden nicht mehr zugestellt, das kriegen sie ja nie wieder aufgeholt, weil sie ja am absoluten Maximum operieren. Und was aber natürlich noch auch spannend wird, ist, inwieweit die Systeme das auch verkraften. Die großen Händler können da natürlich super mit skalieren, aber wenn ich dann sowas habe wie einen Black Friday oder die Adventswochenenden, wird es schon schwierig. Es schieben alle so ein bisschen Frust und sind in einer Corona Mood drin. Dann sitzen sie zu Hause und bestellen was und das wird für ein Peak der Infrastruktur sorgen und da hängen natürlich auch Zahlungssysteme dran. Auch in der Vergangenheit war es ja schon so, dass PayPal auch an Weihnachten schon an die Grenze gekommen ist, teilweise also in dem Volumen angekommen sind, an dem Maß angekommen sind, wo sie sichere Transaktionen noch gewährleisten können und abwickeln können. Es wird damit zu rechnen sein, dass ich bei der Zahlung irgendwann mal stocke und diese nicht mehr durchzuführen ist, weil das natürlich auch ein Wachstum ist, was PayPal extrem merken würde.
Singles’ Day
Sebastian
Wir haben eben schon über den Singles’ Day gesprochen und haben gesagt, dass die ganzen Verkaufsaktion jetzt noch kommen. Morgen am 11. November ist dann der Singles’ Day, der ist ja eine chinesische Erfindung aus dem Jahr 1993. In den 90ern haben sich ein paar Studenten mal überlegt, dass es eigentlich ganz nett wäre, wenn die Singles sich untereinander was schenken würden und da kommt das ganze Thema jetzt her. Wir haben dieses Jahr erstmalig zwei Singles’ Days, der eine war am 1. November und der zweite kommt jetzt am 11. November, die Tage wurden wegen der vier Einsen und der drei Einsen ausgewählt. In China ist das schon seit Jahren ein heiß umkämpfter Tag und nun bekommt er auch in Deutschland immer mehr Relevanz.
Sven
Ich habe gelesen, dass er in Deutschland seit 2017 ein Thema ist. Die “Lebensmittel Zeitung” hat gestern getitelt, dass auch Lidl morgen ganz stark in den Singles’ Day einsteigen wird und dort viele Angebote in seinem Online-Shop bereitstellen will und das auch viele andere deutsche Firmen auf dem chinesischen Markt sehr stark hier werden wollen, z.B. DM, Beiersdorf usw. Da erhoffen sie sich sehr viel. Das Wort “Singles’ Day” ist wohl eine geschützte Marke von Alibaba. In China ist es der umsatzstärkste Tag des Jahres für die Online-Händler, 38,4 Milliarden US-Dollar wurden 2019 alleine bei Alibaba an einem einzigen Tag umgesetzt. Das schlägt jeden Prime Day oder Black Friday. Viele Marken machen in China im November mehr als die Hälfte ihres Jahresumsatz und der Mitbewerber, im letzten Jahr hat J.D.com im Rahmen einer elftägigen Rabattschlacht Waren im Gegenwert von rund 26,5 Milliarden Euro umgesetzt. Neben Alibaba setzen natürlich auch die anderen großen chinesischen Händler alle auf diesen Tag.
Sebastian
Das sind Dimensionen, die kann man sich kaum vorstellen. Im Rahmen dieser Aktion machen sie den Umsatz, für den sie sonst ein halbes Jahr brauchen. Das kann man sich gar nicht vorstellen und wie du sagst ist das fernab vom Black Friday oder Prime Day. Es ist deutlich größer als das, was da passiert, das sind nochmal ganz andere Dimensionen, als man sie hier im Westen kennt.
Sven
Das war’s für heute mit der Crunch Folge. Die heutige Folge war etwas handelslastiger als sonst. Es waren aber viele Themen aktuell, die einfach gut zusammenpassen und deswegen haben wir heute ein bisschen mehr auf den Handel gesprochen. Sonst versuchen wir natürlich wie immer die Themen ein bisschen durcheinander zu mischen. Wie ich einleitend schon gesagt hatte, wenn jemand Ideen oder Themen hat, über die er ganz gerne sprechen möchte, die er diskutieren möchte, einfach in unserer Facebook- oder LinkedIn-Gruppe einmal ansprechen
Diskussionsgruppen zu den Podcast-Themen
Gerne möchten wir mit euch die Themen aus der aktuellen Episode in unseren Facebook und LinkedIn-Gruppen diskutieren.
Ab sofort findest Du alle Themen rund um die Digitalisierung unter https://www.liquam.com/news/ und in unserem neuen Podcast „Schlaflos dank Seattle” sprechen wir über aktuelle Entwicklungen und mögliche Bedrohungsszenarien, die CEOs auf der Agenda haben sollten.
Weitere Informationen zu unserer Podcast-Produktion findest Du unter http://25r-media.com/