Digitale Geschäftsmodell und sog. Digital-Unternehmen oder Plattform nehmen sukzessive Dimensionen ein, die für viele kaum zu überblicken sind. Amazon beschäftigt mittlerweile ca. 1,2 Millionen Mitarbeiter weltweit und es gibt nur wenige Unternehmen oder öffentliche Institutionen die mehr Mitarbeiter beschäftigen. Dazu gehören u.a. das Verteidigungsministerium der USA oder die Volksbefreiungsarmee der Volksrepublik China.
Das größte privatwirtschaftliche Unternehmen ist Walmart mit ca. 2,3 Millionen Mitarbeitern. Das größte deutsche Unternehmen ist hingegen Volkswagen mit ca. 671.000 Mitarbeitern in 2019. Aber nicht nur die Anzahl die Mitarbeiter machen Digital-Unternehmen wie Amazon, Google, Apple und Co so groß, auch die Marktkapitalisierung spielt hier eine entscheidende Rolle.
Während vor 20 Jahren noch Mineralölkonzerne zu den wertvollsten Unternehmen gehörten, sind es heute die Digital-Unternehmen und noch nie waren Unternehmen so viel wert wie z.B. Apple mit heute knapp 2 Billionen US-Dollar. Diese Unternehmenswerte schaffen dann wiederum enorme Potenziale und ermöglichen den Unternehmen (weitere) marktbeherrschende Stellungen einzunehmen.
Vom Handelsunternehmen zum Technologiekonzern – digitale Unternehmen verändern sich und bauen ihre Marktmacht aus
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Die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen und generell digitale Geschäftsmodelle unterliegen häufig gravierenden Skaleneffekten, die in dieser Ausprägung bisher unbekannt waren. Außerdem ermöglichen einige Geschäftsmodelle bzw. die Stellung des Unternehmens in diesem Segment oft die Erschließung anderer Geschäftsmodelle. Am Beispiel Amazon kann man sehr gut den Weg vom Handelsunternehmen zum Technologieunternehmen beobachten. Nach und nach wurden andere Märkte erschlossen. Der eine oder andere unterstellt hier bereits einen Missbrauch. Nutzen die Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung in einer Branche für den Aufbau eines Geschäftes in einer anderen Branche? Dieser und anderen kartellrechtlichen Fragen haben wir uns bereits in einem Podcast angenommen. Zusammen mit Kartellrechtsanwalt Fabrice Witzke haben wir zu diesen oft kartellrechtlichen Fragen im Bezug auf Digital-Unternehmen gesprochen.
Grundsätzlich können wir festhalten, dass einige Digital-Unternehmen Dimensionen annehmen, bei denen wir uns fragen müssen, ob diese Größenverhältnisse für die Gesellschaft gut und nützlich sind. Und abhängig davon, wie wir diese Frage beantworten, stellt sich anschließend die Frage nach einer Regulierung. Doch wie konnte es eigentlich dazu kommen, dass diese Unternehmen diese Größen annehmen konnten und mittlerweile teilweise signifikant Märkte beherrschen? Pauschal lässt sich diese Frage wohl nicht beantworten. Häufig ist jedoch ein Vakuum in Märkten entstanden. Viele dieser Unternehmen haben Potenziale für z.B. Services oder Produkte rechtzeitig erkannt und durch ein entsprechendes Vorgehen viele Kunden überzeugt. Andere Unternehmen haben zuvor diese Potenziale nicht erkannt, was ein Vakuum am Markt ermöglicht hat. Aus diesem Grund fühlen die Digital-Unternehmen sich oft ungerecht behandelt, wenn es um den Ruf nach Regulierung geht und teilweise ist es auch nachvollziehbar. Warum sollten Unternehmen „bestraft“ werden, nur weil sie einen guten Job gemacht haben? Schließlich waren sie einfach deutlich besser als andere Unternehmen. Letztendlich tragen diese Unternehmen aber durch ihre Größe und ihren Einfluss, der mittlerweile erreicht wurde, eine besondere (gesellschaftliche) Verantwortung.
Social Media – Regulierung durch Einzelne von ungefilterten Inhalten und direkter Ansprache
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Am Beispiel vom scheidenden US-Präsidenten Donald Trump kann man diese gesellschaftliche Verantwortung gut verdeutlichen. Ohne auf die Mechanismen und die Auswirkungen von Social Media einzugehen, hat Trump bisher massiv von Twitter profitiert. Und nicht nur Trump. Viele Personen nutzen die sozialen Medien um einen direkten und i.d.R. ungefilterten Zugang zu den Menschen zu bekommen. Die Inhalte werden direkt von jeweiligen Personen verbreitet, ohne dass z.B. ein Medien-Unternehmen diese Inhalte filtern kann. Dieser direkte Zugang hat dabei Vor- und Nachteile gleichermaßen und mittlerweile filtern die sozialen Medien auch die Inhalte, die gegen die geltenden Regeln verstoßen. Letztendlich haben die sozialen Medien es aber in der Hand, welche Inhalte geteilt werden und auch wer überhaupt Inhalte teilen darf. Selten passiert das ohne Druck auf die Unternehmen, aber wenn die Unternehmen tätig werden, dann entscheiden einige wenige Personen darüber und so ist es auch bei Donald Trump passiert. Nach dem Sturm auf das Capitol in Washington wurden nahezu alle seine Kanäle gesperrt und er verliert den besagten direkten Zugang zu den Menschen. Die Medien haben Verantwortung übernommen, aber es wird auch klar, welche Macht diese Medien besitzen. Ähnliches passiert bei Shopify. Die dort betriebenen Online-Shops von Trump wurden gelöscht. Bei dem Twitter-Klon Parler wurde direkt die komplette Infrastruktur bei Amazon Web Services gelöscht. (Mehr dazu in unserem Podcast #31.) Man muss sich die Frage stellen, was passiert, wenn die wenigen Personen, die in den Unternehmen diese Entscheidungen treffen, einmal andere sind. Wird dann immer noch ähnlich entschieden? Was passiert, wenn diese Unternehmen oder die handelnden Personen in gewisse Abhängigkeiten geraten und damit andere Entscheidungen treffen? Oder ist es vielleicht so, dass die sozialen Medien ihr eigenes Überwachungsinstrument sind? Wird durch die hohe Dynamik und die hohe Beteiligung automatisch die Entscheidung im Sinne der Gesellschaft getroffen?
Effekte auf das Umfeld von Tech-Giganten
Aber nicht nur die sozialen Medien stehen im Fokus. Am
Beispiel von Amazon kann man sehen, welchen Einfluss ein Unternehmen auf den
Faktor „Wohnraum“ hat. Amazon ist, wie zu Beginn beschrieben, ein Job Motor.
Besonders in der Unternehmenszentrale in Seattle arbeiten viele Menschen für
Amazon und viele davon verdienen gutes Geld. Das führt dazu, dass immer mehr
Wohnungen in der Region oder generell rund um einen Standort benötigt werden,
was alleine schon zu Preissteigerungen führt. Aber auch die Gehälter von vielen
Amazon Mitarbeitern führen dazu, dass die Zahlungsbereitschaft für Wohnraum
steigt. Dieser Effekt führt nun aber dazu, dass Wohnraum knapp wird und viele
Menschen (die nicht für Amazon arbeiten) vor große Probleme stellt.
Und so kann man eine Reihe von Effekten aufzählen, die durch diese Dimensionen eintreten. Arbeitsbedingungen oder Steuern sind nur 2 weitere potenzielle Herausforderungen. Und besonders die Steuern, werden immer gerne angeführt, wenn es um diese Digital-Unternehmen geht. Dabei genannt wird dann häufig die sog. Digitalsteuer. In wie weit eine derartige Steuer sinnvoll ist, haben wir ebenfalls bereits in einem Podcast aufgearbeitet. Grundsätzlich muss aber gesagt werden, dass die Digital-Steuer nicht dazu dienen darf, z.B. den Online-Handel zu regulieren, wie es einige Politiker anstreben. Vielmehr geht es darum, an den Stellen anzusetzen, wo herkömmliche Steuerinstrumente nicht mehr ansetzen oder nicht richtig wirken. Viele Probleme, bei denen die Digital-Steuer ansetzen soll, können durch bestehende Steuern gelöst werden. Diese müssen nur konsequent durchgesetzt werden. Die Digitalsteuer sollte daher weniger zur Regulierung eingesetzt werden, sondern sollte eher einer Finanzierung dienen. Und zwar genau dann, wenn z.B. bestehenden Steuern auf Grund der vorherrschenden Prinzipien nicht mehr greifen und es Löcher in die öffentlichen Kassen reißt. Und besonders muss darauf geachtet werden, dass dadurch nicht der Fortschritt gebremst wird.
Fazit
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Sollte es zu einer Regulierung kommen und egal auf welche Art diese Regulierung dann vorgenommen wird; es muss klar sein, dass eine Regulierung in diesem Fall nicht die eigentlichen Probleme löst. Es gibt Gründe dafür, dass die großen Digital-Unternehmen dort stehen, wo sie stehen. Diese Gründe gilt es zu identifizieren und daran zu arbeiten. Stammtischparolen nach mehr Regulierung helfen da nicht weiter und machen anderen Unternehmen nicht besser oder überzeugen nicht mehr Kunden, andere Angebote zu nutzen. Unter der Annahme, dass die gleichen Spielregeln für alle gelten (was heute eventuell nicht so ist), hat jedes Unternehmen grundsätzlich die gleichen Chancen. Diese Chancen sollten genutzt werden, um mit der eigenen Leistung zu überzeugen. Damit wird das Risiko eines Vakuums am Markt deutlich reduziert.
Ab sofort findest Du alle Themen rund um die Digitalisierung unter https://www.liquam.com/news/ und in unserem neuen Podcast „Schlaflos dank Seattle” sprechen wir über aktuelle Entwicklungen und mögliche Bedrohungsszenarien, die CEOs auf der Agenda haben sollten.
Weitere Informationen zu unserer Podcast-Produktion findest Du unter http://25r-media.com/