„Digitalisierung ist der Einsatz digitaler Technologien, um ein Geschäftsmodell nachhaltig zu verändern, um so neue Möglichkeiten der Wertschöpfung zu schaffen“ – Gartner Inc.
Klingt super, aber ist das auf alle Unternehmen übertragbar? Generell bedeutet Digitalisierung für alle Unternehmen etwas anderes und für alle Unternehmen bietet die Digitalisierung enormes Potenzial.
Viele Unternehmen reduzieren diesen Blick aber auf interne Verwaltung oder ihre Prozesse. Prozesse zu digitalisieren oder zu automatisieren ist mit Sicherheit auch nicht falsch, doch was kommt danach? Reduziert auf diesen Blick läuft man Gefahr damit eine Beruhigungspille einzunehmen und zu erwarten, dass damit alles erledigt sei. Dabei hat man aber gerade erst das absolute Pflichtprogramm erfüllt.
Bezogen auf das Geschäftsmodell geht es jetzt erst los. Wenn sich das Geschäftsmodell nicht schon auf Grund äußerer Einflüsse geändert hat, vielleicht auch ohne es zu bemerken, stellt sich die Frage, kann sich das Geschäftsmodell überhaupt verändern? Kann es bei mir neue Möglichkeiten der Wertschöpfung geben? Was ist mit Friseuren oder mit Architekten? Was ist mit Rechtsanwälten oder Wohnungsbauunternehmen? Was ist mit Logistik Unternehmen? Die eigentliche Dienstleistung muss weiter erbracht werden und das läuft häufig recht analog ab. Das wird wohl auch so bleiben, aber kann ich damit (allein) noch Geld verdienen?
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Beispiel Logistik: Wenn ich eine Logistik Dienstleistung erbringe, dann ist das erstmal eine sehr analoge Leistung. Ich muss beispielsweise einen Gegenstand physisch transportieren. Für diesen Transport bekomme ich Geld und an diesem Modell kann ich vorerst nichts ändern. Jetzt besteht die Möglichkeit diesen Transport durch eine digitale Dienstleistung zu flankieren. Das kann z.B. das Tracking des Transports sein. Nun ist dieser Service natürlich absoluter Standard, entspricht der Mindesterwartung des Kunden und ist definitiv nicht zu monetarisieren. Dennoch muss ich diesen Service erbringen, weil ich sonst nicht wettbewerbsfähig wäre. Nehmen wir aber einmal an, dass wir diesen Service monetarisieren können. Dann wäre es aber vermutlich nur ein Bruchteil der eigentlichen Wertschöpfung, was bedeutet, dass tiefgreifende Änderungen erforderlich sind.
Weiterhin am Beispiel der Logistik dargestellt, besteht ein großes Risiko, dass bestehende Geschäftsmodelle in der Zukunft nicht mehr so stark zu monetarisieren sind. Betrachten wir einmal die Transportlogistik, dann ist es so, dass der Markt sich massiven Veränderungen unterwirft. Zumindest dann, wenn wir es mit der Digitalisierungs-Brille betrachten. Amazon greift seit einigen Jahren in diesen Markt ein. Es wird eine eigene Flugzeugflotte betrieben und der Dienst „Amazon Air“ könnte bis zum Jahr 2022 auf eine beachtliche Zahl von bis zu 85 Flugzeugen anwachsen. Darüber hinaus fahren eigene LKW auch bereits auf deutschen Straßen und man hat auch hierzulande damit begonnen, selbstständig die Pakete auszuliefern.
Wenn man sich Amazon im Detail anschaut und besonders die Entwicklungen der letzten Jahre, dann kann man dabei ein Muster erkennen. Gestartet als ein Handelsunternehmen, hat Amazon sich mit der Zeit zunehmend gewandelt. Unter anderem hat man damit begonnen, die für z.B. den Handel erforderliche Infrastruktur zu standardisieren und im Rahmen von AWS extern für andere Anwendungsfälle zur Verfügung zu stellen. Jeder kann diese Services nutzen und die betriebswirtschaftlichen Zahlen von Amazon sind beeindruckend. Das trifft noch auf einige weitere Services zu. Andere Services zeigen sich wiederum defizitär oder zumindest deutlich weniger profitabel. Das ist auch daran zu erkennen, dass der Gesamt-EBIT geringer ausfällt als der EBIT einzelner Services alleine. Aber warum toleriert Amazon Services, die defizitär sind? Das liegt daran, dass man Amazon als Ganzes betrachten muss und Amazon in der Summe profitabel ist. Einzelne Services tragen letztendlich dazu bei, dass andere Services stark profitabel sind. Das führt dazu, dass Amazon sich es durchaus leisten kann, einen defizitären Service zu betreiben, auch wenn es vermutlich nicht das Ziel ist. Wenn ich als Unternehmen aber genau in diesem Service mit Amazon konkurriere, dann wird das für mich zur Gefahr. Amazon ist nicht darauf angewiesen, mit diesem Service Geld zu verdienen, ich aber schon. Außerdem ist Amazon nicht nur nicht darauf angewiesen, damit Geld zu verdienen, sondern sie sind viel mehr darauf angewiesen, dass dieser Service funktioniert und andere Services damit vielleicht profitabel werden lässt. Dadurch verstärkt sich dieser Effekt sogar sukzessive und weil bei Amazon interne Abhängigkeiten bestehen, steigt die Bereitschaft, Services immer weiter und stärker zu subventionieren.
Bezogen auf die Logistik kann das dazu führen, dass man nicht nur mit Amazon im Wettbewerb steht, sondern dass der Wettbewerb, sprich Amazon, dabei kein Geld verdienen muss. Und hier entsteht das eigentliche Risiko. Das bedeutet für Unternehmen, dass sie sich diesem Thema stellen müssen, auch wenn nicht direkt erkennbar ist, wie das Geschäftsmodell digitalisiert werden kann. Auf ein Geschäftsmodell zu setzen, welches zukünftig großen Risiken unterliegt, ist gefährlich.
Dieses Beispiel kann nun auf eine Reihe von Geschäftsmodellen angewendet werden. Im Handel sind diese Mechanismen schon länger erkennbar, aber auch nicht so offensichtliche Branchen wie z.B. die Wohnungswirtschaft können davon zukünftig betroffen sein.
Grundsätzlich erachten wir es erstmal als sehr unwahrscheinlich, dass es wirklich eine Branche gibt, die in der Wertschöpfung nicht digitalisierbar ist. Bei den Geschäftsprozessen ist das sowieso immer der Fall. Und wenn es wirklich so wäre, dann ist das Geschäftsmodell vermutlich mindestens angreifbar. Entweder durch Wettbewerb (siehe Logistik) oder durch andere Herausforderungen, zu denen u.a. die digitale Markterschließung gehört.
Unter der Annahme, dass mein Geschäftsmodell wirklich nicht digitalisierbar und auch nicht angreifbar ist, bleibt weiterhin das Risiko, dass ich Bereiche wie Kundengenerierung oder Kundenbindung nicht mehr beherrsche, also den Markt nicht digital erschließen kann. Vermittlungsportale wie CHECK24 haben dieses Spiel deutlich verändert. Wo man früher zu dem Unternehmen seines Vertrauens gegangen ist, geht man heute zu Vermittlungsportalen.
Diese Portale gibt es in nahezu allen Branchen: Banken, Versicherungen, Handel, Reisen, Versorgung mit Strom und Gas etc. Viele Geschäfte werden damit zu Transaktionsgeschäften und weil alles gut vergleichbar ist, muss ich um jede Transaktion neu kämpfen. Man geht nicht mehr zum örtlichen Rechtsanwalt, Makler oder zu den Stadtwerken. Man vergleicht und lässt sich vermitteln. Das führt dazu, dass ich nicht nur um jede Transaktion kämpfen muss, ich muss auch jede Transaktion bezahlen und ich werde lediglich noch ausführendes Organ. Den Zugang zum Kunden habe ich aber nicht mehr und das beeinflusst meine eigene Profitabilität.
Das heißt, egal ob mein Geschäftsmodell digitalisierbar scheint oder nicht, die Herausforderungen können auch an anderen Stellen warten und damit mein Geschäftsmodell ebenfalls gefährden.